Den 9. März 2005 wird die 52-jährige Andrea nie vergessen.
„Mein zweiter Geburtstag“, stellt sie fest. Und lacht, wie so oft. Sie ist ein fröhlicher Mensch. Denn an jenem Tag änderte sich ihr Leben zum Besseren. In der Uni-Klinik Köln wurde ihr eine Niere transplantiert, gespendet von ihrem Ehemann Axel.
„Wir lagen gemeinsam im Zimmer auf der Station im 16. Stock. Es war eine schöne Zeit“, widerlegt sie die Erfahrung, dass man Krankenhaus-Aufenthalte am liebsten aus dem Gedächtnis verdrängt. „Natürlich hatte ich nach der OP Schmerzen, aber die Niere meines Mannes arbeitete sofort in meinem Körper. Es ging mir direkt wesentlich besser.“
Davor stand es um ihre Gesundheit miserabel. Seit ihrer Geburt lebt Andrea mit dem Alport-Syndrom – einer Erbkrankheit. Einher geht eine Innenohr-Schwerhörigkeit. Die Diagnose stellten ihr die Ärzte später. Alport führt zu einem Nierenversagen. Ihre Schwester – die das gleiche Schicksal teilt – ging sieben Jahre zur Dialyse, bevor sie eine Spenderniere erhielt.
Andrea kam ohne die „Blutwäsche“ aus, schluckte aber viele Medikamente. „Mein Körper vergiftete immer mehr. Ich hatte Muskelkrämpfe, heftiges Hautjucken, war bis auf 50 Kilo stark abgemagert, weil ich kaum noch Essen zu mir nehmen konnte.“ Im Januar 2005 lehnte der Nephrologe an der Uni-Klinik jede weitere Verantwortung ab. „Mein Zustand war lebensbedrohlich“, sagt sie. Ein langes Warten auf eine Spenderniere gab es für Andrea nicht. Ihr Ehemann war sofort zu einer Lebendspende bereit. Es dauerte freilich, bis er körperlich abgecheckt war mit abschließendem Gang vor eine Ethikkommission, in der das Verhältnis von Spender und Empfänger abgeklopft wurde.
Ihr zweites Leben trüben nur die Immunsuppressiva, die Andrea bis an ihr Lebensende einnehmen muss. „Einen kleinen Preis muss ich bezahlen“, sagt sie. Und strahlt, wie so oft. Zweimal im Jahr muss sie zur Beobachtung ins Krankenhaus.
Andrea’s Kopf ist frei von nichtigem Ballast, mit dem sich viele täglich stressen: „Ich habe das Leben schätzen gelernt, freue mich über kleine Dinge und rege mich nicht mehr so häufig auf.“ Eine Sportskanone ist sie nie gewesen, aber mittlerweile total fit: „Ich war noch nie so stark und kräftig in meinem Leben. Früher habe ich mein Fahrrad immer größere Steigungen hochgeschoben, jetzt trete ich weiter in die Pedale.“
Dank des „wundervollen Geschenkes meines Mannes“ ist sie auch in der Lage, an der Sommertour des Vereins TransDia teilzunehmen. 2012 strampelten Andrea und ihr Mann erstmals mit. Von Lüneburg bis Greifswald ging die 900 km lange Etappenfahrt. 21 Dialyse-Patienten und Transplantierte nehmen dieses Jahr an der Radtour-pro-Organspende teil. Auch Andrea und ihr Mann vom Braunsberg sind wieder dabei. Das Ehepaar ist Samstagnacht mit dem Zug und ihren Rädern nach München aufgebrochen, um bis zum 12. Juli nach Würzburg zu radeln.
„Als Betroffene sind wir der Meinung, dass wir uns gerade angesichts der Skandale in einigen Transplantationszentren engagieren müssen, um dazu beizutragen, das Vertrauen in die Organspende zurück zu gewinnen.“ Andrea weiß, dass dieses Thema sehr persönlich ist: „Die Entscheidung darf man niemand aufzwingen. Aber es ist wichtig, darüber zu sprechen.“
So erinnert der Verein TransDia daran, dass in Deutschland angesichts der drastisch zurück gegangenen Organspenden die Chancen für viele Wartepatienten schwinden, rechtzeitig ein Leben rettendes Spenderorgan zu erhalten. An jedem Tag sterben im Durchschnitt mehr als drei Patienten auf der Warteliste, nennt TransDia eine traurige Zahl. Über 2.000 Nieren werden in Deutschland jährlich transplantiert. Andrea zählt zu den Glücklichen. Sie hat überlegt, ob sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen soll, schließlich das Bedürfnis gehabt mitzuteilen, dass „meine Entscheidung fürs Leben richtig war“.